Ein Jahr ist es nun her, dass die Schweizer Tourismusbranche erschüttert wurde. Die Schweizerische Nationalbank hatte am 15. Januar 2015 überraschenderweise den Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro aufgehoben. Welche Folgen hatte diese Entscheidung für die Skigebiete? Wir haben nachgefragt und in unseren eigenen Statistiken geblättert.
Von einer Hiobsbotschaft sprach der Verband Seilbahnen Schweiz (SBS) in einer Pressemitteilung nach Bekanntgabe, dass die Schweizerische Nationalbank die Koppelung des Frankens an den Euro abschafft. Seit September 2011 hatte der Mindestkurs von 1,20 Franken je Euro gegolten. Die Folge der Aufhebung: Die Schweizer Währung verteuerte sich in den ersten Stunden um mehr als 15 Prozent. Für ausländische Touristen bedeutete dies, dass ein ohnehin schon teurer Urlaub in der Schweiz nun auf einen Schlag noch höher zu Buche schlagen wird. Eine Änderung der Währungspolitik scheint in absehbarer Zeit trotzdem nicht wahrscheinlich. Dies erklärte erst im Dezember die scheidende Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf in einem Interview mit dem „Bündner Tagblatt“.
Mehrwert für mehr Kosten?
Auch Skifahrer müssen sich somit weiterhin auf hohe Preise einstellen, wenn es zum Skifahren in die Schweiz gehen soll. 57,46 CHF – so viel kostet laut unserem großen Preisvergleich in dieser Saison durchschnittlich der Tagesskipass bei den Eidgenossen. Aktuell sind das 52,45 Euro. Rechnet man mit einem Wechselkurs von 1,20 müssten Wintersportler nur 47,50 Euro zahlen. Die Skigebiete und Tourismusverbände trifft dies schwer, was Bruno Schaub von der Saastal Marketing AG bekräftigt: „Die Befürchtungen haben sich ganz klar bestätigt. Ein Rückgang der Übernachtungen von Gästen aus dem Euroraum konnte bereits während der Sommermonate festgestellt werden. Ganz markant aber nun zu Beginn der Wintersaison.“
Dabei haben die Tourismusverbände mit sofortigen Maßnahmen auf die Entscheidung reagiert. Saas-Fee schaltete zum Beispiel zusammen mit Arosa Lenzerheide die Website wir-bieten-mehrwert.ch online. Hier finden Urlauber eine Liste an Extraleistungen, die sie im Saastal dank des sogenannten Bürgerpasses erwarten. „Wir können den Wechselkurs oder das Preisniveau in der Schweiz nicht beeinflussen. Aber wir können Angebote schaffen, die dem Gast echte Mehrwerte bieten“, erklärt Schaub. An der Preisschraube zu drehen, scheinen sich nicht viele Skigebiete getraut zu haben. Bei unserem Preisvergleich der Tagesskipässe schnitt die Schweiz mit einer Erhöhung von lediglich 0,72 Prozent (0,39 CHF) am besten ab.
Auch in Samnaun hat man die Entscheidung der Nationalbank gespürt. Profitieren kann das Skigebiet allerdings von der Verbindung in das österreichische Ischgl, denn der Skipasspreis wird in Euro gezahlt. „Die Zahlen sind halbwegs verkraftbar“, sagt Niculin Meyer von der Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. „Aber die Wertschöpfung ist nicht mehr die gleiche.“ Damit die Urlauber im Tal auf der Schweizer Seite die Preiserhöhung nicht zu sehr spüren, gibt es bei den Leistungsträgern einen Rabatt von zehn Prozent. Das lasse sich aber nicht sehr lange halten, so Meyer. Es fresse die Substanz.
Sinkende Gästezahlen
Hinzu kommt, dass die Tourismusbranche nicht erst seit der Aufhebung des Mindestkurses mit sinkenden Gästezahlen aus dem Ausland kämpft. Auch auf Skigebiete-Test.de zeigt sich das. Bei den 100 meist aufgerufenen Skigebieten waren 2011 noch 16 Schweizer Areale vertreten, der Anteil bei den Seitenaufrufen betrug 14,39 Prozent. 2015 waren es nur noch fünf Skigebiete, was bei den Seitenaufrufen 9,48 Prozent entspricht. Die Werte bewegten sich aber über diesen Zeitraum kontinuierlich nach unten. Ein merklicher Einbruch der Besucherzahlen nach der Entscheidung der Nationalbank lässt sich daher nicht feststellen. Vergleicht man etwa die Monate Oktober bis Dezember im Jahr 2014 – also vor Aufhebung des Mindestkurses – mit dem gleichen Zeitraum 2015 zeigen die Seitenaufrufe der Top 100 sogar: Der Anteil der Schweizer Skigebiete lag 2014 bei 9,68 Prozent, ein Jahr später bei 9,71 Prozent.
Ein anderes Bild ergibt das Interesse an den Unterkünften. Betrug der Anteil an deutschen Nutzern für die Auflistung der Unterkünfte in Schweizer Skigebieten auf Skigebiete-Test.de vor der Entscheidung (Oktober bis Dezember 2014) 77 Prozent und der der Schweizer 13 Prozent, zeigt sich in dieser Saison eine veränderte Lage. Von Oktober 2015 bis Dezember 2015 waren es nur noch die Hälfte der User, die sich aus Deutschland über Schweizer Unterkünfte informierten. Der Anteil von Nutzern aus der Schweiz stieg hingegen auf 39 Prozent. Einen Urlaub bei den Eidgenossen scheinen immer weniger Deutsche zu planen.
Erschwerend kommt für die Tourismusbranche hinzu, dass sich für die Schweizer zwar nicht die Preise verändert haben, ein Urlaub bei den Nachbarn nun aber billiger geworden ist. Daher zieht die Strategie von Samnaun mit dem Rabatt von 10 Prozent laut Niculin Meyer zugleich darauf ab, die Schweizer Gäste zu halten. „Alle drängen jetzt auf den Schweizer Markt“, stellt auch Bruno Stoffel, CEO der Touristische Unternehmung Grächen AG, fest. Nur den Fokus auf die Schweiz zu legen sei für ihn aber die falsche Strategie.
Ein eigener Wechselkurs
In Grächen hat man schon länger ein innovatives Konzept entwickelt, um Gäste aus dem Euroraum für sich zu gewinnen. Seit 2011 gibt es in dem Walliser Bergdorf einen eigenen Wechselkurs. 1,30 Franken ist hier ein Euro wert. Stoffel ist deswegen auch zufrieden mit den Besucherzahlen in dieser Saison: „Wir konnten unsere Buchungen aufrecht erhalten und sogar steigern.“ Aus Deutschland kämen beispielsweise 15 Prozent mehr Gäste, ähnliche Zuwächse zeigten sich bei Gästen aus den Niederlanden. „Es ist ein voller Erfolg auf ganzer Linie“, erklärt Stoffel.
Ist die Aufhebung des Mindestkurses also auch eine Chance für die Entwicklung innovativer Konzepte? „Es wird nun die Spreu vom Weizen getrennt“, ist sich Niculin Meyer sicher. Ein positiver Aspekt sei, dass die Lage zu Fortschritt zwinge. Bruno Schaub vom Saastal Marketing gibt jedoch zu bedenken: „Grundsätzlich sind innovative Konzepte bereits vor dem Entscheid der Nationalbank gefragt gewesen. Doch nun läuft den Tourismusorganisationen und Leistungsträgern die Zeit davon. Der Tourismusbranche wurde bildlich gesprochen der Boden unter den Füssen weggezogen.“
In einem sind sich die Schweizer in jedem Fall einig: Man muss auf Qualität setzen – und die Besonderheit betonen. Mit 48 Viertausendern, Schneesicherheit, legendären Skiorten und der langen Tradition des Wintertourismus kann die Schweiz schließlich weiterhin punkten. „Wir müssen zeigen, dass wir etwas bieten, was es woanders nicht gibt“, meint Niculin Meyer. Das dürfe schließlich auch etwas mehr kosten.