Von Lockdown über Maskenpflicht bis hin zu Abstandsregeln und Kontaktbeschränkungen - in diesem Jahr ist einiges anders. Schuld daran ist das Coronavirus, das uns auch im Winter noch weiter beschäftigen wird und damit den Wintersport vor ganz neue Herausforderungen stellt. Skigebiete mit Sommerbetrieb haben bereits wieder geöffnet, aber was erwartet uns in der Wintersaison 2020/2021?
>> Skifahren im Corona-Winter: So sieht es in den Ländern aus
Bei Experten nachgefragt
Um diese Frage zu beantworten hat die Initiative „Dein Winter. Dein Sport.“ Mitte Juli eine Video-Konferenz mit mehr als 100 Vertretern der Branche auf die Beine gestellt. Dabei gaben Verantwortliche vom Deutschen Skiverband DSV, dem Deutschen Skilehrerverband DSLV und Snowboard Germany einen interessanten Einblick in die aktuelle Situation des Wintersports und einen Ausblick auf die kommende Wintersaison.
Mit dabei war auch Prof. Dr. Ralf Roth von der Sporthochschule Köln, der sich neben den Entwicklungen und Trends des Wintersports auch mit den besonderen Herausforderungen auseinandergesetzt hat, die in diesem Jahr auf die Branche zukommen. Wir haben für euch die wichtigsten Infos zusammengefasst.
Update: Neue Infos zur aktuellen Situation gab es Mitte September bei einer zweiten Konferenz. >>Zum Artikel
Corona und die Skigebiete
Der Konsens zum Status quo war deutlich: Der Wintersport hat aktuell ein Image-Problem. Nachdem sich im März 2020 zahlreiche Urlauber in den österreichischen Skigebieten mit dem Coronavirus infiziert hatten, standen die Skigebiete und auch die Länder stark in der Kritik.
In diesem Zusammenhang fällt vor allem auch immer wieder der Name Ischgl. Die Silvretta Arena im Paznaun, die als erstes österreichisches Skigebiet die Schließung wegen Covid-19 verkündete, ist im öffentlichen Diskurs zum Synonym für die massive Ausbreitung des Virus geworden – vor allem wegen seiner großen Après-Ski Szene. Erst kürzlich mahnte der deutsche Gesundheitsminister Spahn, Mallorca dürfe kein zweites Ischgl werden.
Wintersport ist keine Risikosportart
Die Kritik an der teils sorglosen Party-Szene mag berechtigt sein. Im Hinblick auf die nächste Wintersaison ist allerdings eine Differenzierung wichtig, betonte Peter Hennekes, Geschäftsführer des DSLV. Denn das Problem bzw. die Gefahr eines erhöhten Infektionsgeschehens liegt, da waren sich alle Initiatoren einig, nicht im Wintersport per se, sondern vor allem in einem bestimmten Bereich des Sports. Problematisch sind nämlich in erster Linie die mit dem Wintersport verbundenen großen Ansammlungen, wie eben bei Après-Ski und Events, in Unterkünften und beim Transport.
Der Wintersport selbst gehört aber nicht zu den Risikosportarten, erklärte Prof. Dr. Ralf Roth vom Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. Denn Wintersportler befinden sich im Freien an der frischen Luft, Skigebiete bieten im freien Raum jede Menge Platz und Mund-Nase-Bedeckungen sind für viele – vor allem bei kalten Temperaturen – sowieso schon üblich. Beim Skifahren gibt es außerdem keinen Vollkontakt und Sicherheitsabstände werden bereits durch die FIS Verhaltensregeln festgelegt.
Einschränkungen der Gästezahlen
Wo sich Menschen sammeln können, ist beim Anstehen am Lift oder in den Skihütten. Für Letztere können, wie für die Restaurants im Tal, entsprechende Hygienekonzepte und Einschränkungen bei den Gästezahlen Abhilfe schaffen. Großen Menschentrauben an den Liften könnte mit der Ausweitung der Öffnungszeiten entgegen gewirkt werden. So würde eine frühere Öffnung der Skigebiete den Andrang am Morgen etwas entzerren. Durch die Liftanlagen gebe es außerdem eine gute Möglichkeit die Gäste zu lenken, so die Initiatoren von Dein Winter. Dein Sport.
Vor allem ist aber auch im Winter noch mit Kapazitätsbeschränkungen im Liftbetrieb zu rechnen. Aktuell ist die Kapazität der Bergbahnen in Bayern noch auf 35 Prozent reduziert. Mit weiteren Lockerungen ist aber damit zu rechnen, dass die Kapazität bis zum Winter wieder auf 70 bis 80 Prozent gesteigert werden kann.
Um die Beschränkungen der Gästezahlen besser einhalten zu können, wird wohl in der nächsten Saison auch verstärkt auf Online-Tickets gesetzt. Dass die möglichen Kapazitäten aber unter dem Normalbetrieb liegen, wird sich auch auf den Preis der Skipässe auswirken, prognostizierte Roth. In der neuen Saison müssen die Gäste deshalb wohl etwas tiefer in die Taschen greifen.
Skischulbetrieb soll möglich sein
Eine Herausforderung wird auch der Betrieb von Skikursen. Der DSLV arbeitet noch an einem Konzept, damit Skischulen im nächsten Winter wieder ihren Betrieb aufnehmen können. Zu erwarten sind in erster Linie kleinere Gruppen. Auch sollen die Startzeiten der Kurse entzerrt werden, schlug Hennekes vor. Große Sammelplätze, an denen sich alle Kurse um 9 Uhr treffen, wird es wohl nicht geben. Stattdessen starten die Kurse und auch die Mittagspausen zeitversetzt. Über verstärkte Online-Buchungen der Kurse könnten außerdem bei Bedarf Infektionsketten besser nachvollzogen werden.
Weitere Lösungen müssen auch für die Organisation der An- und Abreise, die Skiwacht und Bergrettung, für Training und Wettkämpfe sowie für Sportgroßveranstaltungen erarbeitet werden. Ob Feierwillige in diesem Winter komplett auf Après-Ski verzichten müssen, ist bisher noch nicht entschieden. Einschränkungen wird es aber sicherlich geben. Bei der Entwicklung der Schutzkonzepte befinden sich die Verbände auch im Austausch mit den Kollegen auf der Südhalbkugel. Dort läuft aktuell die erste Skisaison mit Corona-Regeln.
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Lust auf Winter
Trotz aller Einschränkungen ist den meisten aber die Lust auf Wintersport nicht vergangen. Das hat auch unsere aktuelle Umfrage auf Skigebiete-Test gezeigt. Sport und vor allem Outdoor-Aktivitäten sind in diesem Jahr beliebt wie nie. Darum wird die Anziehungskraft der Berge und des Schnees die Menschen wohl auch im Winter wieder in die Skigebiete locken.
Der Trend wird aber zu mehr Tagesgästen und spontanen Skiurlauben gehen, erläuterte Roth. Dadurch werden vor allem näher liegende, leicht erreichbare Skigebiete beliebter. Vor diesem Gesichtspunkt könnte der nächste Winter auch Chancen für die deutschen Skigebiete – auch in den Mittelgebirgen – mit sich bringen. Denn viele Menschen bevorzugen in diesem Jahr Urlaub im eigenen Land. Das ist allerdings stark von den Schneebedingungen im kommenden Winter abhängig.
Darüber hinaus werden auch andere Wintersportarten wie Langlaufen, Skitouren oder Winter- und Schneeschuhwandern attraktiver, die sich ungebunden an Bergbahnen frei in der Natur bewegen.
Verantwortlich handeln
Auch wir können nicht in die Zukunft schauen. Wie die Skisaison 2020/21 verlaufen wird und wie genau die Sicherheitsmaßnahmen aussehen werden, hängt von den weiteren Entwicklungen der Corona-Pandemie ab. Die Verantwortlichen blicken aber positiv in die Zukunft und arbeiten mit Hochdruck daran, dass Wintersportler auch in diesem Jahr wieder die Möglichkeit haben, den Winter auf den Pisten zu genießen – wenn auch mit der ein oder anderen Einschränkung.
Besonders wichtig wird in diesem Winter die Eigenverantwortung der Gäste, darauf machten alle Redner wiederholt aufmerksam. Das Coronavirus hat kein Problem mit Kälte und Nässe, weshalb im Winter durchaus mit neuen Infektionen zu rechnen ist. Deshalb erarbeiten Bergbahnen, Verbände, Tourismusregionen und Politik notwendige Hygienekonzepte und Auflagen. Diese helfen aber nur, wenn sich auch alle daran halten.
Wintersport-Events in der Saison 2020/2021
Einschränkungen und Herausforderungen kommen nicht nur auf die Skiurlauber zu, sondern auch auf den professionellen Wintersport. Deshalb ging es bei der Konferenz auch darum, ob und in welchem Rahmen in der nächsten Saison Weltcup, Weltmeisterschaften & Co. wieder stattfinden können. Was die Experten dazu sagten, erfahrt ihr in unserem Artikel zum Thema: