Auf Skifahren müssen die Deutschen heuer an Weihnachten verzichten. Bis 10. Januar bleiben Hotels und Skigebiete gesperrt. Ein herber Rückschlag für die Betreiber und Verbände. Monatelang hatten sie sich mit umfangreichen Hygienekonzepten und Verhaltensregeln vorbereitet. Dementsprechend enttäuscht sind sie nun von dieser Absage. Eine bessere Kommunikation zwischen Politik und Verbänden hätten sie sich gewünscht, aber vor allem auch eine differenziertere Betrachtung des Wintersports. Skifahren sei nicht gleich Après-Ski, sondern in erster Linie Sport an der frischen Luft.
Wie schon im Sommer und Herbst hat die Initiative „Dein Winter. Dein Sport.“ auch zum Winterstart im Dezember wieder zu einer Video-Konferenz mit mehr als 300 Vertretern der Wintersportbranche eingeladen. Einen Tag nach der Ankündigung, dass der Lockdown in Deutschland bis 10. Januar verlängert wird und Skifahren an Weihnachten auch in Österreich nur sehr eingeschränkt möglich sein soll, ist die Stimmung allerdings weniger optimistisch als beim letzten Mediencall im September.
Offener Brief an die Politik
Vor allem die undifferenzierte Betrachtung und Darstellung des Wintersports im politischen Diskurs sorgte bei vielen der Teilnehmer für Enttäuschung und auch Ärger. „Für uns ist das leider eine traurige Erkenntnis, dass das Bild der Partys weiter in den Köpfen der Politiker ist. […] Uns geht es um den Sport, wir wollen unseren Sport ausüben“, erklärte Wolfgang Pohl, Präsident des Deutschen Skilehrerverbands (DSLV). Auch der Präsident des Deutschen Skiverbands (DSV) betonte die Bedeutung des Wintersports und dass körperliche Bewegung an der frischen Luft sowohl für die Gesundheit als auch als mentaler Ausgleich wichtig sei. Unter Einhaltung von Hygienekonzepten, an denen die Verbände zusammen mit der Stiftung für Sicherheit im Skisport seit Monaten arbeiten, sei seiner Meinung nach ein sicherer Wintersport möglich.
Deshalb haben die Wintersportverbände (DSV, DSLV und Snowboard Germany) einen offenen Brief an die politischen Entscheidungsträger verfasst, in dem sie für einen verantwortungsbewussten Wintersport in Corona-Zeiten plädieren. Ziel sei es, dass der deutsche Wintersport besser wahrgenommen und aktiv am Entscheidungsprozess beteiligt werde, so Pohl. Mit rund 11 Millionen Schneesportlern sei Wintersport in Deutschland keineswegs eine Randgruppe.
Prof. Dr. Ralf Roth von der Deutschen Sporthochschule Köln räumte ein, dass Covid-19 die gesamte Gesellschaft und auch andere Freizeiteinrichtungen betreffe und der Wintersport nicht davon ausgehen kann, anders behandelt zu werden als die anderen Betriebe. Trotzdem wünscht auch er sich einen differenzierteren Umgang mit dem Thema Wintersport. In diesem Winter werde es darauf ankommen, den Sport in seiner kompletten Breite auszuspielen, also nicht nur Skifahren, sondern auch Langlauf, Tourengehen oder Winterwandern.
Kritik an Schließung der Skigebiete
Der ehemalige Skirennläufer Christian Neureuther zeigte sich ebenfalls kritisch angesichts der neuesten Entwicklungen, vor allem mit Blick auf das fehlende Sportangebot für den Nachwuchs: „Was mich so stört, ist dass man pauschal drüber geht. Es gibt gerade im Wintersport so grandiose Möglichkeiten die Kinder trotzdem zum Sport zu bringen und sie draußen zu beschäftigen, ohne dass ein Risiko vorhanden ist.“ Auch seine Frau Rosi Mittermaier, ebenfalls Ex-Skirennläuferin, plädierte dafür, die Lifte zu öffnen. Abstandhalten sei gerade in der freien Natur und an der frischen Luft nicht so schwierig. Hütten hingegen könnten geschlossen bleiben oder nur im Freien Essen und warme Getränke ausgeben. „Man muss nicht immer drin sitzen“, so Mittermaier.
Frust war bei Matthias Stauch von der Bayerischen Zugspitzbahn zu spüren. Während in den letzten Jahren die Schneebedingungen zum Saisonstart Grund zur Sorge gaben, herrschen in diesem Jahr bereits beste Bedingungen zum Skibetrieb. Trotzdem stehen die Lifte auf der Zugspitze still. Das 76-seitige Sicherheitskonzept, das über den Sommer mühsam erarbeitet wurde, sei plötzlich nichts mehr wert, so Stauch. Er blickte aber auch kritisch auf den Sommer zurück: „Es langt nicht Schilder aufzustellen. Man hat auf Einsicht der Gäste gehofft, die gibt es aber nicht.“ Man brauche mehr Personal, das ständig auf die Maßnahmen hinweist.
Unkontrollierter Wintersport
Stauch machte aber auch auf eine weitere Problematik aufmerksam. Der Sommer habe gezeigt, dass die Menschen, auch wenn die Bergbahnen geschlossen sind, in die Berge fahren. Damit sei auch im Winter zu rechnen, was zu großen Problemen führen könnte. Denn nur wenn Bahnen und Lifte laufen, kann auch eine organisierte Infrastruktur geboten werden. Bleiben die Anlagen geschlossen, ziehe es zum Beispiel mehr Tourengeher auf den Berg. Vor allem für weniger Erfahrene, mit denen in diesem Jahr vermehrt zu rechnen sei, könne das ungesicherte Gelände gefährlich werden, wenn sie am Ende die Abfahrt über die unpräparierten Pisten nicht mehr schaffen. Auch Professor Roth sieht dieses Problem. Selbst wenn Skigebiete und Loipen geschlossen bleiben, würden sich Menschen draußen bewegen wollen. Dann aber eben diffus und unkontrolliert.
So geht die Skisaison weiter
In Österreich dürfen die Skigebiete am 24. Dezember wieder öffnen, wenn auch nur für Einheimische. Hotels und Restaurants bleiben noch bis Januar geschlossen. Mit diesem Kompromiss war Prof. Hubert Siller vom Management Center Innsbruck durchaus zufrieden. „Was noch zu holen war, wurde geholt“, so sein Fazit. Für die Österreicher sei die Öffnung der Skigebiete ein ganz wichtiges Signal, denn das Thema Wintersport ist in der Alpenrepublik nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich von großer Bedeutung, erklärte Siller. Er sieht die Tourismuswirtschaft von Bund und Regierung gut unterstützt.
In Italien hingegen stehen die Lifte bis mindestens 6. Januar still. „Wir sind bereit im Januar anzufangen“, erklärte Bruno Felicetti von den Bergbahnen Madonna die Campiglio. Durch die Schließung über Weihnachten und Silvester werden ihnen jedoch rund 30 bis 40 Prozent des Winter-Umsatzes wegfallen. Im neuen Jahr wird der Betrieb zunächst mit eingeschränkten Kapazitäten starten, um Engpässe bei zu vielen Personen zu vermeiden. Das sieht Felicetti aber auch als Chance. Geringere Kapazitäten könnten die Qualität des Skierlebnisses verbessern. Darüber hinaus wurde durch die Pandemie auch die Digitalisierung im Skigebiet vorangetrieben, unter anderem in Form von Online-Ticketing.
In Deutschland hoffen Verbände und Bergbahnen, dass die Wintersportsaison nach dem 10. Januar auch hierzulande mit den erarbeiteten Hygienekonzepten starten kann. "Der Winter ist nach Weihnachten noch nicht vorbei", betonte Professor Roth. Im Januar bleiben noch immer zwei bis drei Monate für den Wintersport. Das Defizit über Weihnachten könne man aber trotzdem nicht mehr einholen.
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